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03.12.2003: André Gorz an Franz Schandl

Vosnon, 3. Dezember 2003

Lieber Franz Schandl,

vielen Dank für die Auswahl von „Streifzügen“ und Artikeln, die Sie mir am 13.11. geschickt haben. Ich habe einiges davon gleich gelesen und bin ganz sicher, 1. dass ich ein mehrjähriges Abo beziehen möchte; 2. dass ich Ihnen und mir die Anrede „Herr“ und „Doktor“ ersparen kann. Dass es zwischen uns Differenzen gibt, stört mich gar nicht (möglicherweise weniger als Sie). Ich hatte seinerzeit Freunde bei den Situationisten und meine, dass absolut radikale Widerständler und Anarchokommunisten zur Umkrempelung des vorherrschenden Bewusstseinsstands unbedingt nötig sind. Besonders begeistert hat mich das Zitat aus Ihrem „Der postmoderne Kreuzzug“ (Streifzüge 3/2002, S. 1) aus krisis 24, das ich mir beschaffen werde.31 Hier sind wir, scheint mir, ganz einverstanden: selbst ist eigentlich nur die Distanz, die er zum Anderen, zu dem er sozialisiert wurde, behält.

Ich gebe zu, in der Vergangenheit auch viel Blödsinn geschrieben zu haben (z.B. dualistische Wirtschaft). Dass man Warenbeziehungen nicht aufheben kann, wenn man nicht gleichzeitig Geldbeziehungen aufhebt, war mir schon immer klar, und auch dass ein bedingungsloses Grundeinkommen kein Transfereinkommen sein kann und alternatives Geld und alternatives Wirtschaften voraussetzt.

Ich hoffe, die Streifzüge noch lange lesen zu können. Da die französische Post kein Geld an ausländische Postbankkonten überweisen darf, lege ich diesmal einen Scheck bei, der Ihnen wahrscheinlich ca. 10 bis 15 Euro Spesen verursachen wird.

Best wishes.

Gorz.


31 Vgl. Franz Schandl 2001a.

Veröffentlicht in Briefe