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27.04.2005: André Gorz an Stefan Meretz

27.4.05.

Lieber Stefan,

Dein Brief vom 17. und die beigefügten Texte haben mich riesig gefreut resp. interessiert. Dass du dir die Zeit genommen hast, jetzt nach all diesen Erläuterungen zu schreiben, war wirklich lieb von dir, ich weiß es zu schätzen. Ich will dich jetzt von deiner „Arbeit“ nicht mit meinen Kommentaren abzulenken versuchen.

Nur ein paar kurze Bemerkungen:

Erst jetzt ermesse ich die enorme Distanz, die zwischen den Grundeinstellungen und -ausrichtungen von u.a. Franz Nahrada, St. Merten, Uli Weiß und dir besteht. Kürzlich habe ich in Berliner Debatte/Initial 1/2005 einen hervorragenden Aufsatz von Christoph Spehr104 (der ihm folgende von Annette Schlemm ist auch bemerkenswert)105 gelesen und mich erinnert, dass du an einem von ihm herausgegebenen Sammelband beteiligt bist.106 dass ich den Band noch nicht gelesen habe und viel zu wenig von deiner „Arbeit“ weiß. Von dem jetzigen Projekt gar nichts. Ich werde versuchen, einiges nachzuholen.

Zu den Thesen von St. Merten – die z.T. denen von T. Negri m.E. sehr nahestehen – und von Ulrich weiß, den ich gut nachvollziehen kann, schreib ich dir im Sommer. Die Kritik, die er, ganz berechtigt, in seiner Fußnote 31 formuliert, hat mich überrascht. Ich habe diesen Absatz für die 2. Auflage abgeändert, denn: im Vorwort (S. 12), ist von Aufhebung, nicht mehr Unterordnung die Rede. Das Vorwort schrieb ich 2 Jahre nach der ursprünglichen franz. Fassung. Im Laufe dieser 2 Jahre kam ich mit dir in Verbindung, lass ich Postone, die Streifzüge und ein paar Bücher von R. Kurz und „bekehrte“ mich zum wertkritischen Denken. Du hast in dieser Wandlung eine ganz entscheidende Rolle gespielt, nicht nur durch deine theoretischen Eingaben. Diese hätten, glaube ich, viel weniger bewirkt, wenn ich mich nicht von der menschlichen Beziehung, die sich in deinen Briefen ausdrückte, so angezogen gefühlt hätte: Offenheit und Vertrauen.

Ich hab mich gewundert, woher dein Name kommt (du weißt sicher um die Partei, die ihn trägt).

Ich wünsche dir von Herzen alles Gute.

André.


104 Vgl. Christoph Spehr 2005.

105 Vgl. Annette Schlemm 2005.

106 Vgl. Stefan Meretz 2003d.

Veröffentlicht in Briefe