Wien, am 28. Juli 2004
Lieber André Gorz,
erstens hoffe ich, dass die letzte Ausgabe der Streifzüge gut bei Ihnen angekommen ist. Vorsichtshalber habe ich noch einmal eine beigelegt. Sollten Sie sie nun doppelt haben, dann geben sie halt ein Exemplar weiter.
Zweitens wollte ich mich für die großzügige Spende für die Streifzüge bedanken. Uns tut’s gut und ich hoffe, Sie können es entbehren. Aus dem Wasser sind wir freilich nie, aber zumindest den Kopf können wir ein Stück weiter rausstrecken.
Drittens habe ich Ihnen den neuesten Band aus der krisis-Ecke beigelegt: „Dead Men Working. Gebrauchsanweisungen zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs“.59 Ich wünsche eine spannende Lektüre.
Viertens wollte ich nachfragen, wann Ihr Buch auf Deutsch erscheint, und ob Sie uns ein Rezensionsexemplar zukommen lassen könnten, auf dass wir es besprechen, auf unserer Homepage und in den Streifzügen auch ankündigen können.
Fünftens und zu schlechter Letzt haben Sie wahrscheinlich von unserem Clash in der Krisis gehört. Dieser hat dazu geführt, dass Robert Kurz und einige andere die Krisis verlassen haben. Hier in Kürze und Würze etwas zu sagen, ist schwierig, auch möchte ich Sie in keiner Weise vereinnahmen. Letztlich denke ich aber, dass der Bruch unvermeidbar gewesen ist, weniger aus inhaltlichen Gründen, sondern aus ganz persönlichen.
Lange habe ich überlegt, ob ich Ihnen meinen nun beiliegenden Brief an Robert Kurz (kurz vor seiner Freundschafts-Kündigung) vom 11. Februar beigeben soll. Er stellt meinen letzten Versuch da, die Wogen zu glätten. Seither gelte ich ihm als der Oberverräter und seine Urteile über mich sind kaum mehr auf einer zitierfähigen Ebene. Aber lesen Sie den Brief, wenn es Sie interessiert. Auch unsere Leute in Frankreich sind so zwischen die Fronten geraten und verhalten sich neutral. Etwa der Ihnen bekannte Wolfgang Kukulies, unser Übersetzer und mein ganz persönlicher Freund.
So hoffe ich nun abschließend Sie nicht zu sehr belästigt oder gar aufgeregt zu haben, hoffe, dass es Ihnen gut geht und verbleibe mit den besten Wünschen aus Wien
(Franz Schandl)
59 Vgl. Ernst Lohoff et al. 2004.