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23.02.2005: André Gorz an Franz Schandl

Vosnon, 23. Februar 2005

Lieber Franz,

Den letzten Brief hätte ich Dir nie schreiben sollen. Der war reine Selbstgefälligkeit. Was kannst Du denn damit anfangen? Ich war damals (vor 2 Monaten) etwas „angerührt“, weil ich mich im Grunde nicht damit abgefunden hatte, dass ich nicht mehr ganz auf der Höhe bin und das letzte Buch wahrscheinlich nicht das beste ist. Es wird ihm kein anderes folgen. Aber dafür kannst auch Du nichts.

Heute erschien in Le Monde auf 2 Seiten ein Gespräch mit Claude-Lévi-Strauss. Er überlebt sich seit 30 Jahren und sagt, er gehöre nicht mehr in diese Welt. Ob überhaupt jemand in sie gehört ist schon fraglich – nur gehören die Jüngeren, die das auch wissen, ihr noch dadurch an, dass sie ihr auch nicht angehören wollen. Die Greise brauchen es gar nicht zu wollen, sie sind einfach die Gewesenen und das bringt nichts mehr.

Lieber Franz, als ich Deine weihnachtlichen Pandas erhielt – sie liegen noch immer auf dem Tisch – meinte meine Frau (es geht ihr gesundheitlich wirklich schlecht und das deprimiert mich): „Lass ihn jetzt in Ruhe sonst hörst Du nie mehr von ihm.“ Bisher hat sie in diesen Sachen immer Recht gehabt. Wenn sie sich nicht geirrt hat, dann ist dies halt ein versöhnlicher Abschiedsbrief. Aber vielleicht muss man auch nicht alles so schrecklich ernst nehmen. Auf alle Fälle, wenn ich Dich beleidigt habe, tut mir das leid.

Weiter alles Gute.

André

Veröffentlicht in Briefe